Orphan Drug Designation
Der Orphan Drug Status kann einem Medikament zugewiesen werden, das darauf abzielt, Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen zu behandeln.1 Die rechtliche Grundlage hierfür bildet die Orphan Drug-Verordnung ((EG) Nr. 141/2000). Momentan durchläuft die Verordnung einen von der Europäischen Kommission angestoßenen Neubewertungs- und Revisionsprozess. Die Orphan Drug-Verordnung sieht vor, dass Arzneimittel eine Ausweisung als Orphan Drug erhalten und förderwürdig sind, wenn die in der Verordnung in Artikel 3 aufgelisteten Kriterien belegt werden können:
- Zunächst dürfen von der Erkrankung höchstens 5 von 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner in der Europäischen Union (EU) betroffen sein oder es muss unwahrscheinlich sein, dass der Markt für das spezifische Medikament ausreichende Mittel generieren würde, um das nötige Investment in seine Entwicklung rechtfertigen zu können.
- Seltenheit allein reicht jedoch nicht aus, um den Orphan Drug Status zu erhalten. Zusätzlich muss das Arzneimittel zur Diagnose, Prävention oder Behandlung einer Krankheit, die lebensgefährlich ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht, eingesetzt werden.
- Außerdem darf es bisher noch keine alternative, zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Prävention oder Behandlung des betreffenden Leidens geben. Sofern eine solche Methode besteht, muss durch das neue Medikament ein erheblicher Zusatznutzen für die Betroffenen im Vergleich zu den bestehenden Methoden nachgewiesen werden.2
Gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 prüft der Ausschuss für Arzneimittel für seltene Leiden („Committee for Orphan Medicinal Products“ – COMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) die Anträge auf einen Orphan Drug Status, wobei die Europäische Kommission im Anschluss final über das Votum des COMP entscheidet.3
Für Medikamente, die einen Orphan-Status erhalten haben, bestehen eine Reihe von Anreizen, die innerhalb der EU gelten: Zugelassene Orphan-Medikamente erhalten eine zentralisierte Marktzulassung für die gesamte EU und profitieren von zehn Jahren Marktexklusivität. Die EMA bietet darüber hinaus eine Unterstützung bei der Antragsstellung für die Zulassung von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen an. Es bestehen zudem weitere Anreize in Form von Gebührenabsenkungen und Forschungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen.4
In Deutschland gilt für Arzneimittel, die von der EMA als Orphan Drugs zugelassen wurden, der Zusatznutzen durch die Zulassung als belegt. Auch wenn es sich um eine rechtliche Nutzenfiktion handelt, so ist diese inhaltlich begründet. Wie oben erläutert beinhaltet die Vergabe des Orphan Drug Status implizit den Nachweis eines Zusatznutzens. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt lediglich das Ausmaß des Zusatznutzens fest, der zur Preisverhandlung zwischen Arzneimittelhersteller und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen wird. Wenn ein Orphan Drug einen Jahresbruttoumsatz von über 50 Millionen Euro aufweist, gilt der Zusatznutzen nach § 35a SGB V nicht automatisch, sondern muss durch den Hersteller innerhalb von drei Monaten gegenüber dem G-BA nachgewiesen werden.5 Aufgrund der Besonderheiten der Entwicklung von Orphan Drugs entspricht die Datenqualität der Zulassungsstudien nicht immer der von häufigeren Erkrankungen. Seit August 2019 kann der G-BA, durch das Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), eine sogenannte “anwendungsbegleitende Datenerhebung” beschließen, um die Datenlage nach Zulassung in ausgewählten Fällen zu vervollständigen. Diese erweiterte Datenerhebung wird in der Nutzenbewertung des Orphan Drug mit einbezogen.6
1 European Medicine Agency (o.D.): Orphan designation. Abgerufen am 16.01.2020, via
https://www.ema.europa.eu/en/glossary/orphan-designation
2 European Medicine Agency (o.D.): Orphan designation. Abgerufen am 16.01.2020, via
https://www.ema.europa.eu/en/glossary/orphan-designation
3 European Medicine Agency (o.D.): Orphan designation. Abgerufen am 16.01.2020, via
https://www.ema.europa.eu/en/glossary/orphan-designation
4 European Medicine Agency (o.D.): Orphan designation. Abgerufen am 16.01.2020, via
https://www.ema.europa.eu/en/glossary/orphan-designation
5 Deutscher Ethikrat (23. November 2018): Herausforderungen im Umgang mit seltenen Erkrankungen. Abgerufen am 28.01.2021 via
https://www.ethikrat.org/publikationen/publikationsdetail/?tx_wwt3shop_detail%5Bproduct%5D=116&tx_wwt3=&cHash=b3e78fc99b523a5226a74aca8f971b95
6 Bundesgesetzblatt (2019). Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung. Abgerufen am 10.02.2020, via https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/G/GSAV_bgbl119_S.1202_150819.pdf (Seite 1211-1212, §35b)